Rund 4,76 Millionen Aktionäre wurden im vergangenen Jahr in Deutschland gezählt, gut eine halbe Million weniger als im Vorjahr. Die Aktienkultur ist somit nach wie vor ein ausgesprochen zartes Pflänzchen hierzulande. Ausgerechnet die EU-Kommission trägt dazu bei, es auszutrocknen.
Denn sie hat entschieden, ein Gebührenmodell zu verbieten, von dem vor allem Neobroker leben: PFOF oder Payment For Order Flow ist ab 2026 illegal. Dies ermöglicht Brokern wie Flatex, Scalable Capital oder Smartbroker, minimale oder gar keine Gebühren für den Handel zu verlangen. Ausgerechnet mit dem Verbraucherschutz wurde das Verbot begründet. Aber gerade die Verbraucher müssen damit mehr zahlen, monieren Kritiker.
Neobroker machen einen Teil ihres Umsatzes mit Rückvergütungen von Handelsplattformen wie Gettex oder Lang & Schwarz, mit denen sie arbeiten. Gibt ein Kunde bei seinem Broker eine Order auf, leitet der sie weiter an die Plattform. Dort stellen Market-Maker den Kurs. Genauer gesagt sind es zwei Kurse: der Kaufkurs (Brief) und der Verkaufskurskurs (Geld). Der eigentliche Kurs liegt in der Mitte. Wer ein Wertpapier kauft, zahlt also immer etwas mehr als den tatsächlichen Kurs, beim Verkauf bekommt er etwas weniger. Von dieser Differenz lebt die Handelsplattform – je größer der Spread, umso mehr verdient sie. Einen Teil der Marge gibt sie als Rückvergütung an den Broker ab, der den Auftrag gebracht hat.
Mit dieser Praxis ist in ein paar Jahren Schluss. Denn die EU-Kommission wittert einen Interessenskonflikt. Broker könnten sich für jene Handelsplätze entscheiden, die ihnen die höchste Rückvergütung zahlen. Gleichzeitig könnte bei den Plattformen der Anreiz gering sein, immer den besten Kurs zu stellen, da sie sich ihrer Order ohnehin sicher sein könnten. Das alles ginge zu Lasten der Verbraucher, so die Argumentation.
„Reinen Protektionismus einzelner EU-Mitgliedsländer“ nennt der Chef von Smartbroker, Thomas Soltau, das Verbot. Das erklärt er so: Nur in Deutschland gibt es aufgrund des föderalen Systems Regionalbörsen, die in Konkurrenz zueinander stehen – und zu kommerziellen Handelsplattformen. Durch die Expansion deutscher Neobroker mit ihren günstigen Gebühren ins Ausland sehen sich die dortigen Börsen, die zuvor keinen Wettbewerb kannten, bedroht. Das rief die Politik auf den Plan. „Das entspricht in keiner Weise dem europäischen Gedanken und geht auf Kosten der Kleinanleger“, sagt Soltau. „Für sie wird der Handel teurer und die Einstiegshürden werden steigen, da die Broker eine Einnahmequelle verlieren.“
„Einen Schlag gegen die Aktienkultur“ nennt der Smartbroker-Chef das Verbot. Er appelliert an den Gesetzgeber, die Regulatorik nochmals zu überdenken. „Eine sinnvolle Option wäre beispielsweise, wenn das Verbot von PFOF nur dann gilt, wenn Kunden bei der Order keine Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Handelsplätzen haben.“