Private-Equity war lange eine Asset-Klasse, die vor allem sehr reichen Privatanlegern und großen institutionellen Investoren offenstand. Mit der Überarbeitung der regulatorischen Rahmenbedingungen der „Long Term European Investment Fund“ (ELTIF) kommt nun neuer Schwung in den Bereich der Retail-Anleger. Im Gespräch mit €uro am Sonntag schildert Dr. Steffen Pauls, CEO von Moonfare, seine Sicht auf den ELTIF-Markt, verrät, wieso die Berliner große Beteiligungsgesellschaften präferieren und aus welcher Investorengruppe er aktuell besonders viel Interesse erfährt.

€uro am Sonntag: Mit der Novelle der sogenannten ELTIFs wird Private-Equity besser zugänglich für Retail-Anleger. Sie adressieren private Investoren allerdings schon deutlich länger.
Dr. Steffen Pauls:
Moonfare wurde in der Tat schon 2016 gegründet und ist 2018 live gegangen. Ich komme ursprünglich von KKR und hatte dort das Privileg, als Managing Director auch immer in die Fonds investieren zu können. Mit meinem Ausscheiden habe ich diesen Zugang zu den KKR-Investments verloren, und musste feststellen: Es gibt aus meiner Sicht kein überzeugendes PE-Angebot für Privatanleger. Wenn Sie mit den besten 25 Prozent der Fondsmanager investieren dürfen, machen Sie historisch gesehen Renditen von 23 Prozent und mehr. PE ist eine hochattraktive Asset-Klasse, auch unter Diversifikationsgesichtspunkten – aber eben Privatanlegern nicht zugänglich. Das wollen wir mit Moonfare ändern. Im ersten Schritt haben wir daher High Net Worth Individuals, also vermögenden Privatanlegern, die Möglichkeit geben, direkt in Private-Equity-Fonds von Größen wie KKR, EQT oder auch CVC zu investieren, mit dem Ziel unser Angebot mit der Zeit auch auf normale Privatanleger auszuweiten.

Also ein ähnlicher Ansatz wie er sich auch im Gesamtmarkt zeigt: Ein klarer Trend hin zu Megafonds der großen etablierten Adressen?
Das ist richtig. Wie Sie sagen, bevorzugen institutionelle Investoren eher die großen Häuser. Und interessanterweise trifft dies auch auf die Privatinvestoren zu, die bei uns Kunden sind. Das hat aus meiner Sicht drei Gründe: Erstens können sie mit den Namen dieser Gesellschaften mehr anfangen, weil sie sie aus den Medien kennen. Vor allen Dingen kennen sie die Unternehmen, die von den Fonds gekauft werden. KKR war beispielsweise in Deutschland bei ProSiebenSat.1, ATU oder Wincor Nixdorf investiert. Der zweite Grund ist ein sachlicher: Die Gesellschaften haben 30, 40 Jahre Track-Rekord und haben gezeigt, dass sie ihre Performance nicht nur in Sonnenscheinzeiten, sondern auch, wenn es mal holprig wird, abliefern. Und der dritte Grund, aus dem auch wir diese großen Buyout-Manager sehr mögen: Sie fokussieren sich sehr stark auf Themen wie „Active Ownership oder „operative Verbesserungen“ und erhöhen den Unternehmenswert durch operative Maßnahmen und eine sinnvolle strategische Weiterentwicklung statt einfach nur durch Aufspaltung und Kostensenkung.

Nun haben wir haben hierzulande mit 4,67 Millionen Aktionären schon kein sehr ausgeprägtes Anlegertum. Wie groß schätzen Sie – auf Deutschland heruntergebrochen – das Potenzial, Menschen für Private-Equity zu begeistern?
Wir werden die gleiche Entwicklung sehen, die wir bei Aktien, also bei den Public Markets, auch gesehen haben. Wenn man zurückdenkt, dann konnten Anfang des letzten Jahrhunderts nur die Rothschilds oder Rockefellers dieser Welt investieren, weil der Preis pro Aktie so hoch war, dass das für Normalbürger gar nicht möglich war. Dann kamen die Mutual Funds, ETFs und die Neobroker unserer Zeit wie Robinhood, Scalable Capital oder N26. Heute gibt es Hunderttausende von jungen Menschen, die traden und die Einzelaktien kaufen. Und eine ähnliche Entwicklung werden wir im Bereich ELTIF beziehungsweise Private Equity sehen. Zu Ihrer konkreten Frage: Der Anteil ist heute natürlich noch verschwindend gering, aber die potenzielle Zielgruppe ist groß. Wir stehen aktuell wahrscheinlich am Anfang eines säkularen Trends von 20 Jahren mindestens.

Nach allen Daten ist ein guter Zeitpunkt, in Private-Equity zu investieren.

Vor zwei Jahren waren knapp 11 Milliarden Euro in ELTIFs investiert, 2023 dann schon 16 Milliarden. Das ist in absoluten Zahlen noch verschwindend gering, aber prozentual ein sehr dynamischer Markt. Sehen Sie, dass sich das so fortsetzt?
Ich glaube, wir werden über die nächsten zwei Jahre exponentielles Wachstum sehen. Zwar wird dies erst mal noch in der derzeitigen kleineren Zielgruppe stattfinden, aber das wird sich ändern. Warum? Weil das neue ELTIF-Regime so viel besser und kundenfreundlicher ist. So ist beispielsweise der Beratungsprozess deutlich vereinfacht, ich habe als Kunde die Möglichkeit zum Opt-in und es können jetzt auch Dachfondsprodukte vertrieben werden. Damit lässt sich eine große Diversifikation erzielen. Auf der Produktseite und der Beratungsprozessseite hat sich also viel geändert. Und gleichzeitig treiben jetzt alle großen Private-Equity-Manager das Thema voran. Das heißt, wir bekommen auch auf der Angebotsseite einen unglaublichen Push. Auch die Banken greifen das Thema auf – derzeit beschäftigen sich eine Vielzahl von Banken mit ELTIFs. Das wird 2024 noch etwas holprig bleiben, weil beispielsweise die technische Abwicklung der Transaktionen komplex ist. Aber ich denke, dass wir im zweiten Halbjahr 2024 und vor allem dann in den Jahren 2025 und 2026 ein großes Wachstum sehen werden.

Aufgrund der schwierigen letzten zwei Jahre herrscht bei den institutionellen Investoren aktuell etwas Zurückhaltung. Ist das eine Chance für den Privatanleger, um von den Private-Equity-Gesellschaften wahrgenommen zu werden?
Es braucht natürlich immer zwei Parteien zum Tanzen. Aber in aller Fairness muss man erwähnen, dass die Entwicklung, Private-Equity für Privatanleger zu öffnen, nicht aus der Not der Jahre 2021 oder 2022 geboren wurde, sondern deutlich älter ist. Blackstone hat bereits 2018 angekündigt, perspektivisch 50 Prozent ihrer neuen Assets under Management bei Privatanlegern einsammeln zu wollen. Das Thema beschleunigt sich nun jedoch. Warum? Weil die Regulierung angepasst wurde – das ist der Treiber. Und das Potenzial für den Markt ist riesig: Oliver Wyman prognostiziert, dass alleine in Europa in den nächsten fünf bis zehn Jahren 1.500 Milliarden Dollar von Privatinvestoren in Private-Equity fließen werden.

Sobald wir den Gesamtprozess digitalisiert haben, können wir das Mindestinvestment senken.

Alleine in Deutschland liegen knapp 3.200 Milliarden Euro auf Bankkonten und in Cash. Das ist keine Anlageform, mit der man besonders tolle Renditen erzielt.
Absolut nicht, zumal im Private-Equity-Sektor die Bewertungs-Multiples zuletzt deutlich zurückgegangen sind. Es ist ein schöner Zufall, dass das ELTIF-Regime an Fahrt gewinnt und es zeitgleich allen Daten nach ein guter Zeitpunkt ist, in Private-Equity zu investieren – zumindest für private Investoren, die langfristig denken.

Sie setzen bei Moonfare auf eine ELTIF-Dachfonds-Struktur. Wo liegt der Investitionsfokus?
Wir haben bewusst erst einmal eine Strategie aufgelegt, die in die aus unserer Sicht besten Private-Equity-Manager in Europa investiert, wie beispielsweise EQT oder KKR. Die Struktur ist ein Mix: 50 Prozent sind Private-Equity-Buyout-Fonds. Keine Venture-, keine Wachstums- und keine Infrastrukturunternehmen. Nur klassisches Private-Equity. Damit schaffen wir eine Art Index über die Industrie und streuen über verschiedene Manager. Diese Diversifikation ist wichtig, weil die Tatsache, dass ein Manager in der Vergangenheit gut war, eben keine Garantie ist, dass er es in der Zukunft auch sein wird. Die andere Hälfte sind Co-Investments in Einzelunternehmen, damit das Geld schneller investiert wird. Wir sammeln das Kapital bei den Anlegern sofort ein und – das macht uns besonders – stellen die Liquidität nicht im Produkt dar. Viele andere Fonds halten 20 bis 25 Prozent des Kapitals zurück und haben einen Money-Market-Anteil. Wir bilden die Liquidität über unseren Sekundärmarkt ab. Wer unbedingt Liquidität braucht, kann diesen nutzen, um Anteile zu verkaufen. Mir persönlich ist es aber wichtig, ganz klar zu sagen: Es handelt sich hier um keine garantierte Liquidität. Das ist keinesfalls mit Aktien zu vergleichen, bei denen man jederzeit aussteigen kann. Private-Equity ist immer eine langfristige Anlageklasse.

Mit der ELTIF-Novelle ist auch das Mindestinvestment von 10.000 Euro gefallen. Wo liegt diese bei Ihrem Vehikel?
Wir bleiben vorerst bei 10.000 Euro. Der Grund dafür ist, dass trotz unseres digitalen Ansatzes im Backoffice noch einige Prozesse manuell ablaufen. Sobald wir den Gesamtprozess zu 100 Prozent digitalisiert haben, können wir auch das Mindestinvestment senken. Und das ist auch unser Ziel, denn 10.000 Euro sind immer noch viel Geld.

Kleineren Institutionen haben in ihren Anlage-Richtlinien oft vorgegeben, dass sie keine Einzelinvestments in Fonds eingehen dürfen.

Die Kostenstruktur ist Private-Equity-typisch 20/2?
Wir sind etwas günstiger, aber in Summe sind das ungefähr die Kosten. Sie setzen sich aus den Gebühren der unterliegenden Fonds und unseren Gebühren zusammen.

Sie sind mit dem ELTIF-Produkt in Deutschland gestartet und vor Kurzem auch nach Österreich expandiert. Wie sieht der weitere Plan aus?
Unsere Strategie ist in ganz Europa für den Vertrieb zugelassen. Allerdings ist unsere digitale Plattform im Moment noch nicht auf alle Länder ausgerichtet. Daher werden die anderen Länder in Europa exklusive Englands ab dem vierten Quartal dieses Jahres folgen.

Sie adressieren ausschließlich Retail-Investoren? Keine kleineren Stiftungen oder Versorgungswerke?
Unsere Zielgruppe sind ganz klar Privatanleger. Aber natürlich dürfen auch Stiftungen oder Versorgungswerke investieren, denn insbesondere die kleineren Institutionen haben in ihren Anlage-Richtlinien oft vorgegeben, dass sie keine Einzelinvestments in Fonds eingehen und nur diversifizierte Basket-Produkte kaufen dürfen. Wir erleben daher auch ein erhebliches Interesse von Single-Family-Offices, die investieren wollen. Bei großen Pensionsfonds und großen institutionellen Anlegern ist das anders, die setzen eher auf Einzelfonds und nicht auf ein gebündeltes Produkt.

Einen ausführlichen Hintergrundbericht zum Private-Equity-Markt und der Novelle bei den ELTIFs lesen Sie in der aktuellen Ausgabe von €uro am Sonntag.