Nach den Europawahlen und der Ankündigung vorgezogener Parlamentswahlen in Frankreich ist der Euro gegenüber dem Dollar gefallen. Aktienkurse französischer Banken brechen ein. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sieht angesichts der Neuwahlen in Frankreich die Gemeinschaftswährung geschwächt.
Bei den Europawahlen hatten europaskeptische Parteien die größten Zugewinne erzielt, auch wenn die konservative Europäische Volkspartei (EVP) ihre Stellung als stärkste Fraktion im Europaparlament verteidigt hat. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hat nach starken Verlusten seiner Partei die Nationalversammlung aufgelöst und für den 30. Juni Neuwahlen angekündigt. Die Entscheidung sei „eine Überraschung und ein großes politisches Ereignis", kommentierten dies die Analysten der US-Bank J.P. Morgan.
Die europäische Gemeinschaftswährung fiel am Montag auf 1,0746 Dollar, ein Minus von rund 0,5 Prozent gegenüber Freitagabend. Es ist der niedrigste Stand seit etwa einem Monat. Auch die Aktienkurse französischer Großbanken wie BNP Paribas, Societe Generale und Credit Agricoloe lagen am Montag Vormittag vier bis sechs Prozent im Minus.
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer hat in einem Statement vor einer potenziellen Schwächung des Euro gewarnt: „Der Euro wurde eingeführt, obwohl es noch keine politische Union gab, also ohne einen irgendwie gearteten europäischen Staat. Insofern hängt die Existenz des Euro letztlich von der Bereitschaft der einzelnen Mitgliedsstaaten ab, im Interesse des Euro zu kooperieren", zitierte die Nachrichtenagentur Reuters den Commerzbank-Chefvolkswirt. „Zwar dürfte es im Europa-Parlament am Ende eine ausreichende Mehrheit für den Status quo geben. Aber bei der Parlaments-Neuwahl in Frankreich, einem Kernland der EU, ist eine pro-europäische Mehrheit nicht mehr sicher. Wenn es den traditionellen, europafreundlichen Parteien immer schwerer fällt, die Wähler von ihren Positionen zu überzeugen, schwächt das grundsätzlich den Euro – auch gegenüber den anderen Währungen."
ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski warnt unterdessen vor der Gefahr einer neuen Schuldenkrise: „Für die Wirtschaft bedeuten die Ergebnisse vor allem eine große Wahrscheinlichkeit, dass eine Vertiefung der Währungsunion erst mal im Gefrierschrank landet. Projekte wie Kapitalmarktunion, neue europäische Investitionen oder auch eine gemeinsame Industriepolitik werden jetzt eher ent- als beschleunigt. Die Gefahr einer neuen Schuldenkrise nimmt zu. Mit diesen Ergebnissen wird der Druck in vielen Mitgliedsstaaten zunehmen, mehr Geld auszugeben. Sei es für Investitionen, sei es für Umverteilung. Da gleichzeitig keine Mehrheiten für europäischer Instrumente wie dem Wiederaufbaufonds da sein werden, ist der nächste Konflikt vorbestimmt."