Steigende Inflationsraten in Deutschland und im Euroraum haben in den vergangenen Tagen für verhaltene Stimmung an den Börsen gesorgt. Dennoch gilt eine Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) kommende Woche als wahrscheinlich. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer warnt jedoch: „Ich halte das für riskant."


Die Inflation im Euroraum hat im Mai wieder etwas zugelegt. So stiegen die Verbraucherpreise binnen Jahresfrist um 2,6 (April: 2,4) Prozent. Auch die sogenannte Kerninflation - also ohne die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Lebensmittel - kletterte auf 2,9 (2,7) Prozent.

Ungeachtet des jüngsten Anstiegs steuert die Europäische Zentralbank auf ihrer Sitzung am 6. Juni auf eine erste Leitzinssenkung zu. Gerechnet wird mit einem Zinsschritt von 0,25 Prozentpunkten, nachdem sich der Inflationsdruck in den vergangenen Monaten deutlich reduziert und dem Zielwert von zwei Prozent zumindest angenähert hat.

Die jüngsten Daten aus der Eurozone gehen allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer hält vor allem den Anstieg der Kerninflation für bedenklich. „Seit Jahresanfang steigen die Verbraucherpreise mit einer Jahresrate, die merklich über dem EZB-Ziel von zwei Prozent liegt. Die Inflationsrisiken sind nach wie vor ausgeprägt. Ich halte es für riskant, dass die EZB ihre Zinsen bereits nächste Woche senken will", sagte Krämer in einer ersten Reaktion.

Die meisten Volkswirte - und wohl auch Krämer - rechnen jedoch weiterhin damit, dass die EZB kommende Woche als erste der großen Zentralbanken mit Zinssenkungen starten wird. Maßgeblich sei, dass die Ratsmitglieder in großer Übereinstimmung deutlich gemacht hätten, dass die EZB zunehmendes Vertrauen in den mittelfristigen Rückgang der Inflation habe, wie KFW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Gelb erläuterte. Uneinig sind die Währungshüter jedoch, wie es danach weitergehen soll. Diese Unsicherheit über den weiteren geldpolitischen Kurs der Notenbanken könnte die Aktienmärkte weiter belasten.

Fazit

Die EZB-Zinssenkung kommende Woche wird aller Vorraussicht nach kommen - dazu herrschte bis zuletzt große Einigkeit unter den Währungshütern. Die jüngsten Anstiege der Inflationsraten in Deutschland und Europa sind zum Teil auf Basiseffekte zurückzuführen, sollten also auch nicht überbewertet werden - auch wenn vor allem der Anstieg der Kerninflation weiter beobachtet werden muss. Welchen Zinspfad die EZB im zweiten Halbjahr einschlagen wird, ist allerdings vor allem nach den jüngsten Inflationsdaten offener denn je. Die Tür zu nachhaltigen Zinssenkungen steht jedenfalls noch nicht offen.