Varta sei „der nächste Fall kalter Enteignung", sagt der prominente Frankfurter Kapitalmarktanwalt Klaus Nieding im Interview mit €uro am Sonntag zum Sanierungskonzept beim Batteriehersteller Varta. Für Aktionäre hat es den Totalverlust ihres Einsatzes zur Folge.
Nieding setzt derzeit alle rechtlichen Hebel in Bewegung, um Aktionären zumindest die Möglichkeit zu verschaffen, an einer Kapitalerhöhung teilzunehmen. Außerdem will die Frankfurter Kanzlei Nieding + Barth mit weiteren Kanzleien rechtliche Schritte in die Wege leiten, um Schadensersatzansprüche durchzusetzen. Man sei dazu bereits von einer vierstelligen Zahl von Varta-Aktionären bevollmächtigt worden, erläutert er im Interview.
€uro am Sonntag: Wie bewerten Sie das Sanierungskonzept bei Varta?
Klaus Nieding: Nach dem ersten prominenten Sündenfall Leoni handelt es sich bei Varta um den nächsten Fall kalter Enteignung der freien Aktionäre. Mit dieser Zweckentfremdung des Stabilisierungs- und Restrukturierungsgesetzes StaRUG wird der Aktienkultur in diesem Land ein Bärendienst erwiesen. Wer will denn noch ernsthaft in Aktien investieren und beispielsweise seine Altersvorsorge auf Aktien bauen, wenn er Gefahr läuft, dass in solchen Fällen nicht nur die Aktien, sondern gleich auch noch ein Teil der Altersvorsorge „zu null ausgebucht“ wird?
Welche rechtlichen Möglichkeiten sehen Sie für Varta-Aktionäre, Ersatzansprüche geltend zu machen?
Zunächst einmal geht es darum, im Rechtsweg dafür Sorge zu tragen, dass die freien Aktionäre an der Kapitalerhöhung teilnehmen können. Das bereiten wir gegenwärtig mit Hochdruck vor. Gleichzeitig kümmert sich ein Team von Rechtsanwälten darum, welche Sachverhalte Schadenersatzansprüche begründen und bereitet deren Durchsetzung vor.
Gibt es vergleichbare Fälle aus der Vergangenheit, und welche Ansprüche konnten dabei Aktionäre geltend machen?
Wie bereits ausgeführt, ist der Fall Leoni die Blaupause für Varta. Auch bei Leoni stellen wir derzeit die Pflichtverletzungen zusammen, um die Schadenersatzansprüche der Aktionäre zu begründen. Dazu zählt zum einen die willkürliche Gruppenbildung innerhalb des StaRUG-Verfahrens, aber auch Fehler der Gesellschaftsorgane im Vorfeld, die zu Schadenersatzansprüchen der Aktionäre führen. Der Schaden besteht in erster Linie im völligen Wertverfall der Aktien (Ausbuchung zu null) zuzüglich Nebenansprüchen.
Haben sich bei Ihnen bereits Varta-Aktionäre gemeldet?
Ja, wir sind gegenwärtig von einer vierstelligen Zahl von Varta-Aktionären bevollmächtigt und es werden täglich mehr.
Wie werden Sie in der Sache weiter vorgehen?
Derzeit bereiten die Aktionärsorganisation DSW, der Finanzberater OneSquare Advisors, die Kanzlei K&L Gates und meine Nieding+Barth Rechtsanwalts AG die rechtlichen Schritte vor. Da es keine echte Sammelklage im deutschen Prozessrecht gibt, werden wir die gegebenen Mittel nutzen, gegebenenfalls auch durch eine Zweckgesellschaft (SPV), die stellvertretend für die Anspruchsinhaber auf Abtretungsbasis tätig wird. Gleichzeitig befinden wir uns aktuell in Verhandlungen mit namhaften internationalen Prozessfinanzierungsgesellschaften, denn unser Ziel ist – wie bei anderen ähnlichen Projekten -, dass die Sache die Aktionäre kein eigenes Geld kostet.